Der Dodge Coronet und wie er den Weg ins Emmental fand
In Gedanken versetze ich mich in das Jahr 1967 zurück. Ich stellte mir vor, wie es damals gewesen wäre, wenn ich selber am 37. Autosalon in Genf hätte dabei sein können. Wahrscheinlich hätte ich in einem Paar Manchesterhosen gesteckt, Jeanshosen waren erst am aufkommen. Mein Fotoapparat hätte statt des digitalen Auslösegeräuschs noch ein ehrliches „Klick“ gemacht und jedes Foto wäre gut bedacht gewesen, da Fotos, bzw. die Entwicklung der Filme damals sehr teuer war. Natürlich hätte ich meiner Vorliebe entsprechend die Amerikanerwagen gesucht, aber ich hätte selbstverständlich auch beim Toyota Stand einen Halt eingelegt und dem Bond-Auto, dem Toyota GT 2000, einen längeren Augenschein geschenkt. Auch den neuen Jensen Interceptor mit dem potenten V8 Motor von Chrysler hätte ich nicht verachtet, aber bestimmt wäre die erste Stunde beim General Motors Stand drauf gegangen. Chevrolet und Pontiac präsentierten ihre neusten Würfe, mit dem Chevrolet Camaro und Pontiac Firebird eine Weltneuheit! Mit dem kurzen Heck und der langen Schnauze zielten sie der Konkurrenz, dem Ford Mustang entgegen und das auch mit grossem Erfolg. Bei Ford USA hätte ich mich über die Neuerung der Mustangform gefreut, die nun grössere Karosserie gegenüber den Vorjahresmodellen. Nicht nur in der Karosserie, nein, auch bei der Kubikzahl stockten sie beim Ford-Konzern deutlich auf. Neu wurde auch der 390er und sogar der 428er Motor angeboten was dem Pony ordentlich Schub verlieh. Plymouth stellte die überarbeitete Karosserie des Barracudas vor, die sich nun deutlich vom Valiant abhob und somit eigenständig dastand. Als Notchback, Fastback und als Cabriolet wurde dieser angeboten. Auch der Barracuda konnte neu mit dem potenten 383cui Motor bestellt werden. Dann beim Dodge Stand wäre mein Blick am Dodge Polara Kombi vorbei geschweift und beim Dodge Coronet R/T wäre er hängen geblieben. Mit Sicherheit hätte ich mich schon damals in den Wagen verliebt. Die Form, irgendwie grobschlächtig und kantig wie ein Zementstein, aber dennoch sportlich. Seine zwei ins Blech gedrückten Vertiefungen an den hinteren Kotflügel sind auch bei seinem Schwestermodell, dem Charger anzutreffen. Scharf finde ich ebenfalls die vorgetäuschten Luftaunsaugschlitze auf der Motorhaube die aussehen wie eine kleine Überdachung einer alten Fabrik. In Wirklichkeit ist es aber nur eine Attrappe, ein Gussteil das schlicht mittels vier Schrauben auf die Haube gepappt wurde. Dann die Magnumfelgen mit den Firestone Redlines Reifen und nicht zuletzt die schräg abfallende B – Säule, verliehen dem Wagen trotz seiner Masse ein sportliches Outfit. Der Frontgrill beim Coronet ist derselbe wie beim Charger, nur dass die Lampen beim Coronet nicht mittels Vakuumsteuerung umgedreht werden können, so dass der „Rasierklingen-Grill“ durchgehend ist. Die leuchtend roten Buchstaben am Grill, R/T, was für Road and Track (Strasse und Rennpiste) steht, scheinen Störenfriede und Herausforderer zu warnen. So wie die grellen Farben des Giftpfeilfroschs, oder das rote Hinterteil der Schwarzen Witwe in der Tierwelt die Feinde warnen. Mit seinen geschmiedeten Pleueln und der ebenfalls geschmiedeten Kurbelwelle stecken tatsächlich Elemente im Wagen, wie sie eigentlich nur im Rennsport anzutreffen sind. Die 375PS und das beachtliche Drehmoment von beinahe 500 Nm, lassen den gelben Backstein in knapp 6 Sekunden von 0 – 100km/h spurten. Die Viertelmeile schluckt der Dodge in etwas unter 15 Sekunden. Nur zum Vergleich: Porsche hatte 1967 gerade mal seinen 911 zu bieten, dessen 2,3l Motor bescheidene 111 PS hervorbrachten. Der Jaguar E-Type hätte dem Coronet R/T gefährlich werden können, aber hier reden wir bereits von einem Sportwagen.
Zurück in der Gegenwart: Wir schreiben das Jahr 2014 als ich aus Werbegründen mit einer Cobra Replika am Oldtimertreffen in Boltigen einfuhr. Es ging darum, Werbung für die Auktion in Gstaad der Swiss Auctioneers zu machen. Aus diesem Anlass sandte mich Reinhard Schmidlin mit der Cobra nach Boltigen um dort die Werbetrommel für die Auktion anzukurbeln. Als ich die Cobra auf das Ausstellungsgelände manövrierte, stand da dieser gelbe Dodge Coronet von 1967 beim Eingang. Sofort waren mir die beiden Buchstaben, R/T, aufgefallen. Umgehend parkte ich die Schlange auf dem nächsten freien Platz, drückte die A5 Flyer meinem Freund Phippu in die Finger und begab mich schnurstracks zu dem Dodge. An der Front des Wagens hatte sich ein Herr in fortgeschrittenem Alter am Wagen angelehnt, an diesem ging ich vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Meine ganze Konzentration richtete sich auf den Dodge. Erst als ich nach vorne kam und einen Blick in den offenen Motorraum warf, nahm ich den Mann wahr. Seinem Schmunzeln zu entnehmen, musste der meine Begeisterung für den Wagen längst durchschaut haben. „Ist es ein echter RT?“, musste ich umgehend beantwortet haben. Erhaben nickte der Mann und untermauerte dies mit einem knappen „Ja“. Auch ohne dieses Ja, hätte ich nichts anderes als einen echten R/T Coronet vermutet, so ehrlich wie der Wagen da stand. Übrigens nicht nur der Wagen, sondern auch der Besitzer, wie sich Herbert zu erkennen gab. Herbert erzählte mir, dass er seit 1971 der Besitzer dieses Coronets sei und dass eben dieser Dodge Coronet, als Neuwagen am Genfer Autosalon gestanden habe. Ich war platt. Einerseits wie lange Herbert den Dodge schon besass, andererseits, dass der Wagen am Genfer Autosalon gestanden haben soll. Der Coronet sei damals aus den USA in die Schweiz überführt worden und hätte nach dem Autosalon eigentlich wieder zurück in die USA kehren sollen. Ein gut betuchter Oberländer habe den Dodge aber direkt am Autosalon gekauft und dann wenige Jahre gefahren. Anschliessend, eben 1971, habe er den Dodge aus erster Hand übernommen. „Neunzehnhunderteinundsiebzig“ wiederholte ich ehrfürchtig für mich. Ich war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal auf der Welt! Herbert erzählte mir, dass er als Koch hie und da mit dem Doge ins Bergrestaurant gefahren sei, wo er als Koch tätig gewesen sei. Die eine Brücke auf dem Wanderweg sei etwas schmal gewesen und die Wanderer hätten ihm immer verwunderte Blicke zugeworfen, aber der Dodge habe ihn immer sicher zum Restaurant geführt. Unglaublich dachte ich für mich. Da wird der Dodge von den USA in die Schweiz überführt um ihn als Neuheit am Autosalon in Genf zu präsentieren und ein paar Jahre später fährt er mit seinem potenten 7,2l Magnum Motor mit seinen 375 PS im Berner Oberland schmale Bergstrassen zu einem Bergrestaurant. Luftlinie ein paar tausend Kilometer über dem grossen Teich wäre er sicher auf langen Geraden gebeutelt worden um zu schauen, wie lange der Coronet braucht um die Viertelmeile zu bewältigen.
Natürlich musste ich bald einmal wissen, ob der Dodge zu verkaufen sei. Er war. Nun kam Action in mein Leben. Die Zahl die mir Herbert servierte, hatte es in sich. Sie sprengte schlicht den Rahmen eines einfachen Polizisten. Es bedurfte einiger Telefonate und ich musste meine besten Bearbeitungskünste anwenden um den Preis in eine Region zu drücken, welche mich schlussendlich zum Kauf bewogen. So stand ich wenige Wochen später am hintersten Punkt in der Lenk um den Deal über die Bühne zu bringen. Mit Blick auf die Simmenfälle wurde ich Besitzer des Dodge Coronet R/T 440. Besitzer von jenem Auto, dass 1967 als Neuwagen am Autosalon in Genf stand. Ich glaube, hätte der Doge damals am Autosalon Genf seinen Besitzer selber auslesen können, hätte er sich schon zu dem Zeitpunkt für Herbert entschieden. Die herrliche Bergluft auf über 1000m, die Aussicht und die Kräuterwiesen die ihn umgaben, schienen ihm gut bekommen zu haben.