Ein heisser Tag war vorausgesagt, ein heisser Tag mit möglichen Gewitter. Es war Sonntag, der 15. Juni 2025 und die FNC führten ihr US-Car Treffen in Bleienbach durch. Bereits kurz nach neun Uhr fuhren die ersten Amis auf den Platz, erwartungsgemäss viele ältere, aber auch ein paar jüngere Fahrzeuge. Der Platzchef entschied sich für das Konzept Chaos, sprich, es gab kein Konzept. Was nach planlos klingt, war wohl durchdacht. Es durften alle Ami’s einfahren, abgesehen von den Vorkriegsamis bis ca. 1948, wurden die Fahrzeuge so parkiert wie sie auf den Platz fuhren. Nach kurzer Zeit kam eine bunte Mischung verschiedenster Ami’s aus verschiedensten Epochen und Typen zustande, dem Publikum gefiels. Ich stand die meiste Zeit hinter dem Grill oder lieferte mit mir bekannten Besuchern Benzingespräche. Es war heiss an dem Tag. Sehr heiss sogar. So heiss, dass das unausweichliche Sommergewitter gegen vier Uhr eintraf und für ein paar Minuten für Hektik sorgte. Wir konnten rechtzeitig unsere Ware wegräumen, das Treffen konnte gegen fünf Uhr erfolgreich beendet werden. Wenn man kurz vor den Fünfzig steht, über viele Stunden der heissen Sonne ausgesetzt ist und dann noch am Grill die abstrahlende Hitze ins Gesicht bekommt, schafft einen das definitiv. Zu Hause, auf der Terrasse, gönnte ich mir ein kühles Glas Weisswein und ohne es zu wollen, hatte ich schon den digitalen Kasten vor dem Gesicht. Als hätte mein Daumen die Streichel- und Klickbewegungen intus, landete ich flugs auf einer Verkaufsplattform für Autos. Im Suchbegriff tippte ich Plymouth bis Jahrgang 1980 ein, klickte auf Suchen und führte das Glas Weisswein an meinen Mund. Zack, beinahe hätte ich den Wein verschüttet, als mich die Scheinwerferaugen eines Barracudas der ersten Generation anlächelten. Als ich zeitgleich den Preis – unter 20'000.- sah, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Gelb. Meine Farbe. Dann die schwarzen Streifen der Länge nach übers ganze Fahrzeug, was den Formula S verriet und somit auch die Motorisierung, nämlich 273 ccm. Der Wagen machte auf den ersten Blick einen verdammt originalen Eindruck und als ich den Text zum Fahrzeug las, wurde meine Vermutung bestätigt. Der Barracuda soll tatsächlich noch sein erstes Farbkleid besitzen. Geistesgegenwärtig klickte ich auf die Telefonnummer und ziemlich schnell meldete sich eine sympathische, junge Stimme mit Ostschweizerdialekt auf der anderen Seite. Als der Mann mir die Originalität und die Veteranenprüfung bestätigte, konnte ich dem Drang, den Wagen so rasch als möglich besichtigen zu gehen, nicht widerstehen und so fragte ich den Verkäufer, ob eine umgehende Besichtigung möglich sei. In den letzten Jahren ist mir der eine oder andere Oldtimer durch die Lappen, nur weil ich zögerte. Ok, manchmal lag das zögerliche Verhalten ganz einfach an der Geldknappheit. «Diesmal nicht, Aebi!» sagte ich zu mir und mit den Worten; «Schlieren ist ja nur grad um die Ecke», hatte der Mann am anderen Ende kaum eine Chance, meine aufdringliche Selbsteinladung auszuschlagen. Fünf Minuten später sass ich im Auto und bevor ich Zürich ansteuerte, hob ich bei meiner Bank eine Anzahlung ab. Bleienbach hatte mich geschafft und eigentlich wäre ich Bett reif gewesen, doch der Südseefisch hatte meinen Abendplan über den Haufen geworfen. Ich hatte schon zwei Barracudas, einen von 67 und einen 69er. Und jetzt noch einen der ersten Generation, dass wäre eine großartige Ergänzung in meinem Oldtimerrepertoire. Es war der Ford Mustang, der just ein halbes Jahr vor dem Barracuda rauskam, ansonsten hätte Mopar mit dem Barracuda womöglich den Supergau gelandet. Wobei, Ford war dermassen brutal und hemmungslos im Werben, da hätte Chrysler mit seinem A-Body nicht lange mithalten können.
Der Verkehr lief gut, ich kann mich nicht erinnern, dass letzte Mal nach Zürich gefahren zu sein und kein einziges Mal Stau gehabt zu haben. In Schlieren führte mich das Navi direkt an die Adresse des Moparbesitzers. Als ich einen schleichenden SAAB-Fahrer kreuzte, gab mir ein jüngerer Elvisverschnitt aus seinem Schweden heraus Handzeichen. Ich vermutete, dass es sich um den Barracudabesitzer handelte: «Du kannst grad wenden, die Garage ist da unten», meinte der und fuchtelte mit seiner Hand in die entgegengesetzte Richtung. Kurz später standen wir in einer klassischen Tiefgarage einer grossen Überbauung. Zuerst sah ich das Heck eines 1959er Caddys und daneben stand kümmerlich der 1966er Barracuda. Beinahe so schüchtern wie Nemo im Disney Animationsfilm blickten mich zwei Scheinwerferaugen an und ich glaubte, hätte ich eine hastige Bewegung gemacht oder einen ungewollten Laut von mir gegeben, hätte sich der Fisch noch tiefer in die Wand verkrochen. Tatsächlich sahen die Streifen, welche sich über die gesamte Länge des Wagens zogen, wie die Kriegsbemalung von Buben an, welche sich die Finger an Russ schwärzten und damit übers Gesicht fuhren. Die Kubikzahl, 273 (4,5l), ist im Vergleich zu seinen grossen Brüdern, den 383, 440er und 426 HEMIS tatsächlich ein Witz, aber wir dürfen nicht vergessen, dass der Wagen gerade mal 1’430 kg wiegt. So gesehen sind die 4,5l mit seinen 235 SAE- PS ganz schön viel Leistung für den kleinen Wagen und da der 273er ein sehr drehfreudiger Motor ist, spurtet der Barracuda in rund 15 Sekunden über die Viertelmeile. Der Wagen wirkte auf mich sehr authentisch. Unverbastelt, original mit einer einladenden Patina. Sofort kamen in mir diese Gefühle hoch. So wie bei Tierliebhabern, wenn sie einen Hund an einer Autobahnraststätte an einer Leitplanke angebunden sehen. Der kaum aufhaltbare Drang nach Rettung, Schutz und Hilfe, alles in einem gebündelt überkam auch mich das Mitleidsgefühl und ich musste den Fisch retten. Ihn aus dem viel zu engen Aquarium Glas – die Tiefgarage gemeint - befreien.
Wir schoben den Barracuda ein paar Meter nach vorne, damit ich ihn unter besserem Licht und mehr Platz betrachten konnte. Der Wagen war schön. Weit entfernt von Topp, aber dafür verdammt original. Die Türen öffneten und schlossen sich beidseitig wie bei einem Neuwagen, nur dass es mehr nach Blech tönte. Alles war dran am Fahrzeug, alles schien noch original zu sein. Die Sitze liess der Vorbesitzer in Plastik einschweissen, so dass sie geschützt waren. Das Interieur, Bronzefarben, befand sich in noch sehr gutem Zustand. Die Sitze waren bretthart, die Polsterung schien über die Jahre plattgedrückt und ermüdet zu sein, aber keine Risse, keine Beschädigungen. Dann die Heckscheibe. Mit fast 1,3 m² gebogenem Glas, eine der grössten Heckscheiben in der Automobilgeschichte. «Wenn die mal kaputt geht», liess ich den Spruch fallen als ich vorsichtig mit der flachen Hand über die Scheibe fuhr. «Du wirst es mir nicht glauben, aber du bekommst noch eine Ersatz-Heckscheibe dazu, wenn du den Wagen nimmst». Nun das ist mal eine Ansage. Da es sich um ein Formula S handelt, waren auf der Vorderachse Scheibenbremsen montiert. Michel setzte sich in den Wagen und drehte am Zündschlüssel. Der kleine V8 sprang sofort an und täuschte mit seinem lauten Gebrüll einen bösen Big-Block vor. Der Motor hing sehr gut am Gas, schnell sprang die Tourenzahl nach oben, was ein weiteres Indiz für den sportlichen Formula S war. Michel zählte ein – zwei Kleinigkeiten auf welche zu machen wären, aber im Großen und Ganzen schien der Wagen schwer ok zu sein. Ich machte nicht lange Federlesen und unterbreitete dem jungen Mann ein faires Angebot. Zu meiner Überraschung schlug Michel ohne zu zögern ein und wir schüttelten uns so kräftig die Hand, dass seine Haartolle wackelte. Die Anzahlung geleistet, den Vertrag unterzeichnet, machte ich mich wieder auf die Heimfahrt. Auch wenn ich hundemüde war, sang ich kreuzfalsch zu der Musik mit, die im Radio lief und beflügelt von vielen tollen Erlebnissen vom Tag und dem Kauf eines weiteren Oldtimers, begab ich mich in Richtung Emmental. Grundsätzlich sind es schon eher die B-Bodys, welche rein figurtechnisch besser zu mir passen, aber diese A-Bodys haben’s definitiv in sich.