Hand aufs Herz. Wie gross ist die Chance, dass man einen über vierzig jährigen Wagen mit gerade mal Zweiundzwanzig tausend Kilometer findet? Verschwindend klein. Gesetzten Falls es gäbe diesen Wagen, dann würde die Möglichkeit, dass der Wagen aus erster Hand stammt, auch nicht viel mehr beeindrucken. Als eingefleischter Pontiac Fan stolperte ich über die Verkaufsanzeige im Ricardo, wonach jemand aus Giffers im Kanton Freiburg, einen genau solchen Pontiac Trans Am zum Verkauf anbot. Ein 1979er Modell, rot in rot, aus erster Hand mit den angeblich ersten 22'000km. Das einzige Foto das zu sehen war, zeigte tatsächlich einen optisch originalen, und ja, sehr roten Trans Am. Ich rief auf die Nummer an und ein eingefleischter Seisler begrüsste mich. Nach ein paar Standardfragen über die Fahrzeuggeschichte, die Originalität und der allgemeine Zustand, vereinbarten wir einen Besichtigungsterm. Am Telefon verriet mir der Fribourger, dass der Trans Am mit einem 4,9l Motor bestückt sei und nicht mit dem üblichen 6,6l Motor. Nun war ich etwas perplex. «Also ein 4,9l Turbo in dem Fall?» hakte ich nach und betonte das «Turbo» besonders. «Nein, nur mit dem 4,9l, ich wollte keinen Turbo». Ich war leicht konsterniert. Ich glaubte mich ziemlich gut auszukennen bei der Marke Pontiac, aber dass der 4,9l Motor ebenfalls im Trans Am verbaut wurde, nicht als Turbo, dies verunsicherte mich. Zwei Tage später befuhr ich Freiburger Boden. Der pensionierte Posthalter stellte sich mir gegenüber mit Guido vor und bald einmal outete er sich, dass er auswandern wolle und dass das der Grund für den Verkauf des Trans Ams sei. Die Garage in welcher der Feuervogel stand war mit Fotos von US-Cars aus den Achtzigern tapeziert, welche Guido selber an den jeweiligen Treffen schoss. Auf diversen Bildern war ebenfalls der Trans Am zu sehen, immer schön original, die Snowflake Wheels waren mit ein-Zoll Weisswandreifen bestückt. Die Türen öffneten und schlossen sich wie bei einem Neuwagen. Die Sitzflächen waren beide noch straff, in keinster Weise durchgesessen oder abgenutzt. Sofort fiel mir auf, dass sich die Seitenscheiben nur von Hand runterkurbeln liessen. Ich habe weiss Gott schon viele Firebirds hier zu Lande gesehen, aber noch nie einen mit Handkurbeln. Dann verfügte der Trans Am über das Hurst Targa Dach was ebenfalls selten ist. Mit viel mehr Optionen trumpfte der Wagen nicht, ausser noch mit den vier innenbelüfteten Scheibenbremsen, welche Guido besonders hervorhob. Und dann noch der 4,9l Motor, der 301er. Tatsächlich stand auf der Luftansaughutze nicht die bekannte Aufschrift: 6,6l TA, es stand gar nichts drauf. Im Firebird Redbook habe ich den in den Trans Ams verbaute 301er Motor bestätigt gefunden. Gemäss dem Firebird Red Book wurden lediglich 3'301 Trans Am mit dem 301er Motor produziert. In Anbetracht des unglaublichen Originalzustands, verzichtete ich darauf, mir Gedanken über Leistung und Hubraum zu machen und stellte den Allgemeinzustand vor die Pferdestärken. Für die Verhandlung dislozierten wir in Guidos Wohnung und bei einer Flasche Aigle les Murailles, feilschten wir wie die Oberländer Munihändler. Mein Glück war, dass ich eine Handvoll Scheine im Sack hatte, welche ich als letzten Trumpf auf den Tisch legte. Und mit den Worten: «Guido, der Trans Am kommt an einen guten Platz. Dies ist mein Angebot, nimm es an, oder ich gehe ohne den Wagen heim», hatte ich den ehemaligen Posthalter Schach-Matt gesetzt. Per Handschlag - wegen des Aigle Murailles verfehlte ich beinahe seine Hand - wurde ich stolzer Besitzer dieses sehr originalen und schönen Pontiac Trans Am.
Am 12.02.2022 holte ich den Trans Am in Giffers ab. Wegen der kalten Temperaturen nachts über und daher möglichem Salz auf den Strassen, überführte ich den Pontiac auf einen Anhänger. Das Wetter an diesem Samstag zeigte sich von seiner schönsten Seite, der Himmel über der Schweiz war einheitlich Blau. Bei Guido in Giffers angekommen, luden wir zuerst den Pontiac auf den Anhänger. Dann übergab er mir noch Ersatzteile zum Auto, Zündkerzen, Bremsklötze, Scheibenwischer und anderes Material. Während des Verladens fuhr Guidos Tochter auf den Platz, die junge Frau wollte sich noch persönlich von dem Amerikaner verabschieden. Schliesslich ist sie mit dem Pontiac aufgewachsen, Guido hatte den Trans Am einige Jahre vor ihrer Geburt gekauft. Bei Kaffee und Guezli notierte ich mir noch ein paar wichtige Angaben zum Fahrzeug. Ich erfuhr dabei, dass Guido den Pontiac von der Schweiz aus in den USA bestellt hatte. Es sei kein leichtes Unterfangen gewesen, aber er habe den Bürokram nicht gescheut. Guido erzählte mir, wie er die Optionen für sich entschied, über den Adler habe er noch einen Moment nachgedacht. Schliesslich hätte man diesen auch noch in anderen Farben auf der Motorhaube haben können. Danach sei der Pontiac nach Le Havre in Frankreich geschifft worden, wo ihn Guido persönlich abholte. Für die Überführungsfahrt habe er sogar eine Versicherung in Frankreich abschliessen müssen und französische Kontrollschilder am Pontiac montieren! In der Schweiz sei der Wagen dann in Biel vorgeführt und zugelassen worden. Für eine geforderte Lärmmessung habe er nach Chatel. St. Denis fahren müssen, für welches er unzählige Male auf einem noch nicht eröffneten Autobahnteilstück hin und her fahren musste. Die Experten seien in einem alten VW Bus gesessen und hätten ihm jeweils das OK für den Start gegeben. Als er alle Hürden überstanden und den ersten Fahrzeugausweis erhalten habe, genoss er die folgenden über vierzig Jahre mit dem Pontiac. Auch wenn er wegen seiner teils längeren Ferienaufenthalte nicht sehr viel zum Fahren gekommen sei, alle zwei – drei Jahre liess er vorbildlich einen Ölwechsel machen wie es die Eintragungen im Serviceheft bestätigen. Als ich so in dem Serviceheft blätterte musste ich schmunzeln. Jeweils nach ein- bis dreitausend Kilometer wurde so ein Ölwechsel durchgeführt. In den Unterlagen war sogar die originale Gebrauchsanweisung für das Radio vorhanden.
Die Überführungsfahrt von Giffers nach Sumiswald verlief problemlos. Zu Hause im schönen Emmental wurde der Trans Am zuerst in der Einzelboxgarage abgestellt. Schliesslich herrschte noch immer Corona und somit war auch für die jüngste Errungenschaft Quarantäne angesagt...
Es gab eine Zeit in meinem Sammlerleben, da hätte ich den Trans Am mit Verachtung links liegen lassen. Der Jahrgang und die schwache Motorisierung hätte mich blind an dem Wagen vorbeilaufen lassen. Mit zunehmendem Alter und gewonnener Reife wurde ich auch ruhiger, der Leistungstrieb wich der Vorliebe für das Unberührte - Originale. Überhaupt faszinieren mich diese Pontiac Firebirds der zweiten Generation immer mehr. Wahrscheinlich auch wegen meines Jahrgangs - schliesslich erlebte ich diese Fahrzeuge noch knapp als sie neu, oder als junge Ocassionen, auf unseren Strassen herumfuhren. Bestimmt aber hat auch mein Freund Richu eine Teilschuld daran, der mich 1993 mit seinem 1978 Trans Am beim Bahnhöfli Bolligen abholte. Es war meine erste Fahrt in einem alten Amerikanerwagen (obschon der Trans Am damals gerade mal 15 jährig war!) und sie hatte sich scheinbar tief in mir eingebrannt.