Ich hatte einmal einen VW Käfer und als ich ihn aus verschiedenen Gründen wieder verkaufte, schwor ich mir, dass ich eines Tages wieder einen haben werde. Die Jahre vergingen und mit ihnen stiegen die Preise der VW Käfer ins unermessliche. Besonders die der alten, der Brezel und der Ovalis, jene, die mit besonders gefallen. Anfangs November besuchte ich einen neuen Freund der Unweit von mir in Grünenmatt wohnt. Als ich in die Strasse einbog in der er wohnt, sah ich unter dem Vordach seines Nachbarhauses einen cremefarbenen VW Käfer stehen. Er war mit den Streifen und der Zahl auf der Motorhaube auf Herbie imitiert und machte aus der Distanz einen verdammt guten Eindruck. Als ich Sven, meinen Freund auf den Käfer ansprach, meinte der in reinstem Walliserdeutsch: «Der isch glöib ich zverchöife». Da es ein Herbie war und kein alter, eben ein Ovali oder sogar ein Brezel, war mein Interesse eher verhalten. Trotzdem fragte ich Sven beiläufig: «Hast du die Telefonnummer vom Besitzer?» «Där ghört glöib ich anere Fröi» Sven hatte die Nummer und er sendete mir den Kontakt. Es stellte sich heraus, dass ich die Besitzerin sogar indirekt kenne. Sie ist Coiffeuse und macht meiner Schwiegermutter die Haare. Am selben Abend durchforstete ich das Ricardo und zufällig stiess ich auf einen weissen VW Käfer, ein Herbie, der Standort war mit Grünenmatt angegeben. Ich musste schmunzeln. Ich rief Daniela an – Sven sagte mir den Namen - und sagte ihr, dass wir quasi Nachbarn seien und ich sie schon einige Male mit ihrem Käfer auf der Strasse gesehen habe. Wir tauschten uns freundschaftlich aus und dabei vereinbarte ich mit ihr einen Besichtigungstermin. Am Sonntagnachmittag komme einer schauen, wenn es mir ernst sei, dann solle ich vorher kommen. So stand ich an dem Sonntagmorgen um 10:00 bei Daniela. Es war saukalt und da ich mich auf die Fahrzeuginspektion konzentrieren wollte, gab ich meinen Sohn Aaron kurzerhand bei Sven ab. Daniela und ich verstanden uns als wären wir alte Schulfreunde. Da sie den gleichen Jahrgang hat wie ich, wäre das sogar noch möglich. Vor der Besichtigung gab ich dem Auto für einen Kauf nur geringe Chancen. Er war mir mit Jahrgang 68 einfach zu jung. Dann aber begutachtete ich einen VW Käfer der verdammt gut im Blech stand. Für ein bald sechzig Jähriges Fahrzeug war ich tief beeindruckt. Für mich war klar, der wurde schon einmal restauriert, obschon ich mir nicht ganz sicher war. Ich fühlte, eine Probefahrt war unumgänglich. «Können wir fahren?» Daniela nickte. «Klar, ist ja eingelöst». Es war kalt und neblig, aber die Strassen trocken und weil es Sonntagmorgen war, herrschte wenig Verkehr. Es wurde eine ausgiebige Probefahrt. Via Hasle fuhr ich über Rüegsau, Zollhus, Affoltern wieder über Sumiswald nach Grünenmatt. Der Käfer stockte ab und zu, bestimmt nur eine Einstellungssache. Während der gesamten Fahrt hatte ich dieses dämliche Grinsen im Gesicht. Es ist der Sound des luftgekühlten Motors im Heck, die Gartenstühle auf welchen wir sassen und diese einzige Armatur die mich wie das Auge des Zyklopen die ganze Zeit anstarrte, was mir dieses Lächeln ins Gesicht zauberte. Es ist die Einfachheit, dieses Barbarische, dass dem Käfer seinen Charme verleiht, ihm diesen Stempel der Unwiderstehlichkeit aufdrücken. Mehr braucht ein Auto nicht. Die Heizung funktionierte, die Scheibenwaschanlage funktioniert nur, wenn genügend Luft im Reserverad ist und ein Radio gibt's nicht in dem Modell. Über Adolf den Führer gibt es weiss Gott nicht viel gutes zu berichten, aber falls er tatsächlich die Finger beim Bau des VW Käfers drin hatte, muss man ihm doch etwas gutes zugestehen. Denn, es war sein Auftrag an Ferdi Porsche, ein Wagen für das Volk zu bauen das günstig im Ankauf ist, bis zu fünf Personen Platz darin finden und dazu noch sparsam war. Tatsächlich entstanden Prototypen des Käfers bereits in den dreissiger Jahren, doch weil der Krieg ausbrach, wurde mit der definitiven Produktion des Volkswagens erst ab 19?? begonnen. Am 29. April 1949 wurde durch die Firma AMAG die erste Lastwagenladung mit VW Käfern in die Schweiz importiert. Der VW Käfer wurde sofort zum Exportschlager und er war in den USA sogar lange Zeit das meistverkaufte Fahrzeug nicht amerikanischer Herkunft. Über und mit dem Käfer wurden Filme gedreht, Herbie und Dudu sind wohl die beiden berühmtesten. Es war die unglaublich knuddelige Form und eben die Einfachheit, welche die Herzen der Autolenker eroberte und weshalb der Käfer auf der ganzen Welt so beliebt war. Da der Käfer nicht Wassergekühlt war, konnte er schon mal nicht kochen was damals ein grosses Plus war. Auf alten Fotos sieht man die Autos reihenweise an den Passstrassen am Rande stehen, aus den geöffneten Motorhauben entspringen dicke Dampfwolken und Wasserlachen bilden sich um die Fahrzeuge. Lange Zeit war der Käfer auch der Massstab für die Zuverlässigkeit. Dies merkten auch die Werbeleute bei Volkswagen und schon war sie da, die Werbung: «Der Käfer. Läuft und läuft und läuft...». Auch wenn die Grundkarosserie über siebzig Jahre lang gleich aussah, wissen Kenner, dass VW quasi in jedem Modelljahr Änderungen vornahmen, und wenn es nur die Lüftungsschlitze bei der Motorhaube waren. Bald einmal erlangte der VW Käfer Kultstatus und diesen hat er nie mehr verloren. Auch ich, mit Jahrgang fünfundsiebzig, habe meine wenigen Käfer Erinnerungen. Annemarie, unsere damalige Nachbarin hatte einen Cremefarbenen, in diesem wurde ich einige Male rumchauffiert. Und ja, auch mein Vater hatte ein paar Jahre lang einen VW Käfer, einen goldenen. Auch an diesen erinnere ich mich wage, nämlich daran, wie ich mir im Sommer die nackten Beinchen verbrannte, wenn ich mich auf die von der Sonne aufgeheizten Plastiksitze setzte. Und dann, viel viel später, kam ich wegen eines Missverständnisses zu meinem ersten Käfer und dieser war zu allem noch ein Filmauto. Das Polizeiauto aus dem Film, Mein Name ist Eugen. Der Käfer war in schlechtem Zustand und die Restaurationskosten wären immens gewesen. Und als ich eine solche Restaurierung in Erwägung zog, wurde mir gesagt, dass es die Sitzbezüge für genau diesen Jahrgang nicht gäbe. Da ich der Originalpurist bin, entschied ich mich, den Käfer wieder zu verkaufen. Als der neue Besitzer den Käfer auf den Hänger lud, fühlte ich tatsächlich Trennungsschmerz. Dies hatte ich eigentlich nie wenn ich mich von einem Auto trennte. Vielleicht ist es wegen seiner liebendwerten Form, vielleicht wegen des Films Herbie, die dem Käfer Leben einhauchten, ich kann es nicht sagen. Auf jeden Fall schwor ich mir damals, dass ich wieder einen haben werde. Nun, ungefähr zwanzig Jahre Später sollte es so weit kommen. An diesem 10. November 2024 stand mein Besichtigungstermin an. Ohne grosse Absichten bin ich nach Grünenmatt gefahren und nun, nach der ausgiebigen Probefahrt, focht ich einen Kampf mit mir selber aus. Für mich stand fest, würde der Käfer in meinen Besitz wechseln, würde die Herbie Beklebung entfernt. Aber auch die bunten Sitzbezüge würde ich raus nehmen und wenn es mich neue Sitzbezüge kosten würde, war ich mit mir einig. Für mich zählt nun mal nur original und der Käfer vor mir, stand verdammt original da – abgesehen vom Herbie Look. Mir war bewusst, dass um drei Uhr einer kommen wird um den Käfer zu schauen. Und irgendwie fühlte ich, der wird ihn nehmen. Es blieb mir also nicht viel Zeit übrig um mich zu entscheiden. Dies machte ich dann bei Sven zu Hause, bei einem Kaffee. Als wir zu zweit die aktuellen Inserate der Käfer studierten, stellten wir beide fest, dass alle ausgeschriebenen viel teurer waren, als der von Daniela. Also bat ich Sven spontan noch eine weitere halbe Stunde auf meinen Buben aufzupassen, ich hätte dringend etwas zu erledigen. Ich raste nach Hause, holte das Geld das ich eine Woche zuvor für den Oldsmobile bekam und dann fuhr ich bei Daniela vor. Sie war mit ihrem Mann draussen mit Arbeiten ums Haus beschäftigt, als ich ihr ein Kuvert mit dem Geld in die Finger drückte. Sie schmunzelte als hätte sie genau gewusst, dass ich einbreche. Bei einem Kaffee wurde der Handel dann noch vertraglich geregelt – es sass ja ein Bänker am Tisch - und so wurde ich an diesem Sonntag stolzer Besitzer eines VW Käfers. Nach dem Mittag brachte mir Daniela den Käfer nach Hause. Sie und ihr Mann staunten nicht schlecht, als sie die Sammlung sahen und gleichzeitig freuten sie sich, wohin ihr Käfer nun kommt.